Nachhaltige Anpassung der Siedlungsentwicklung und technischen Infrastrukturen an die Herausforderungen des demografischen Wandels, Erstellung Katalog mit Praxisbeispielen (UFOPLAN 3716 15 102 0)
Der demografische Wandel betrifft die strukturschwachen ländlichen Räume einschließlich ihrer Klein- und Mittelstädte in zweifacher Hinsicht. Zum einen kommt es aufgrund von selektiven Wanderungen (Schwarmwanderungen ausgelöst durch mangelnde Attraktivität bei ausdünnender Altersgruppe junger Menschen sowie eingeschränkten Ausbildungs- und Arbeitsplatzperspektiven) zu einer forcierten Abwanderung der Altersgruppen der 18 bis 45jährigen. Zum anderen verlieren diese Räume damit zugleich wichtige Entwicklungspotenziale und mit dem Wegzug dieser Bevölkerungsgruppen wird auch der ohnehin erhebliche Geburtenrückgang weiter verstärkt.
Diese kumulativ sich überlagernden und verstärkenden Entwicklungen erfordern tiefgreifende Anpassungsmaßnahmen sowohl bei der Siedlungsstruktur als auch bei der netzförmigen technischen Infrastruktur, um deren Funktionsfähigkeit zu erhalten und die ansteigenden Remanenzkosten zu senken. Siedlungs- und Infrastrukturen entziehen sich indessen einer flexiblen Anpassung. Gründe sind die langen Lebenszyklen und Abschreibungszeiträume (bis zu 80 Jahre) sowie ihr Systemcharakter, die eine kurzfristige Anpassung der Netze oder gar einen Systemwechsel z.B. bei der Energieversorgung verhindern. So kommt es zu einer Erhöhung der Wohnkosten und Belastung der kommunalen Haushalte durch die nicht optimal ausgelasteten Infrastrukturnetze.
Mit Blick auf eine dauerhaft wirtschaftlich tragfähige und technisch sinnvolle Auslastung der Siedlungs- und Infrastruktur sind alternative Entwicklungen zu prüfen. Diese reichen von einer räumlichen Konzentration und Nachverdichtung in den Kernbereichen bis hin zu einem Ausdünnen der bestehenden Randbereiche unter Schrumpfungsbedingungen. Vielfach ist in einer Stadt das gesamte Spektrum der Entwicklungspfade zu berücksichtigen, denn eine kleinräumige Parallelität von Wachstum und Schrumpfung ist ein typisches Phänomen in schrumpfenden Städten.
Bei planerischen Entscheidungen zur Anpassung von Siedlungsstrukturen an eine rückläufige Einwohnerentwicklung sind neben ökonomischen Effekten auch vielfältige soziale, städtebauliche, baukulturelle und ökologische Wirkungen zu beachten. Insbesondere Anforderungen an eine verbesserte Klimaanpassung durch die siedlungsstrukturelle Weiterentwicklung (z.B. Grünentwicklung, Abwasser), einen verbesserten Klimaschutz (z.B. Energieversorgung) und Querschnittsziele wie die Verbesserung der Biodiversität müssen entsprechend integriert werden.
Soziale Ungleichgewichte, ökonomische und ökologische Mehrbelastungen und letztlich das Gleichwertigkeitspostulat der Lebensbedingungen in allen Teilräumen werden tangiert. Es ist daher ein rationaler diskursiver Umgang mit Rückbau- und Anpassungsstrategien zur Minimierung der negativen Folgewirkungen von Entscheidungen erforderlich und es bedarf innovativer Konzepte, Herangehensweisen und Methoden. Insbesondere bedarf es eines kleinräumigen Monitorings sowie daraus abgeleiteter Zukunftsszenarien der demografischen Entwicklung und einer daran geknüpften umfassenden Folgenabschätzung von Siedlungs- und Infrastrukturanpassungsmaßnahmen.
In dem Forschungsvorhaben geht es einerseits darum, ausgehend von absehbaren unterschiedlichen kommunalen Entwicklungspfaden die Bandbreite bestehender kommunaler Anpassungsanforderungen an die Siedlungsentwicklung und technische Infrastruktur zu charakterisieren. Andererseits sollen in der Praxis beobachtbare gute strategische und konzeptionelle Ansätze im Umgang mit den Anpassungsanforderungen identifiziert und mit Blick auf eine Übertragbarkeit dieser Beispiele aufbereitet werden. Dabei sollten idealerweise unterschiedliche Typen von Anpassungsstrategien erfasst werden. Darunter z.B. kooperativ ausgerichtet Strategien, die eine optimierte Auslastung bzw. eine Verringerung der Fixkosten zum Ziel haben, ökonomisch ausgerichtete Strategien, in denen Steuerungswirkungen durch Kostenansätze erzielt werden oder auch technologisch ausgerichtete Strategien mit dem Ziel der Effizienzverbesserung. Letztlich sollte die Aufbereitung ermöglichen, dass sich Kommunen neben thematischen Aspekten auch anhand der dargestellten Strategietypen orientieren können.
Auftraggeber:
Umweltbundesamt
Wörlitzer Platz 1
06844 Dessau-Roßlau
Kooperationspartner
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Professur für Städtebau und Bodenordnung im Institut für Geodäsie und Geoinformation:
Prof. Dr.- Ing. Theo Kötter, Dr. Dominik Weiß
empirica AG:
Timo Heyn, Jan Grade
gaiac - Forschungsinstitut für Ökosystemanalyse und -bewertung e.V. an der RWTH Aachen:
Dr. Gottfried Lennartz,
Projektstart
September 2016